Zur Erinnerung an Mikis Theodorakis
Gestatten Sie einen etwas persönlichen Beitrag. Meines Wissens gab es keine Verbindung von Hans Mayer zu Mikis Theodorakis. Das Exilland beider, als entschiedene Gegner des Faschismus, war allerdings Frankreich, wo ich mich gerade aufhalte. Die Nachricht vom Tode des legendären Komponisten kam heute über die Medien. Musik, die wir alle kennen und Erinnerungen werden wach.
1974 fuhr ich mit meinem griechischen Freund Georg(ius), sowie Freundinnen und Freunden als junger Student nach Griechenland. Zum ersten Mal das so unbeschreiblich blaue Mittelmeer in Thessaloniki. Georgs Lieblings-Onkel wohnte in Athen. Ein alter Kommunist. Nach seiner Verhaftung während der Junta und brutaler Gefängniszeit auf einer Insel hatte er einen Job als Hausmeister in Athen gefunden. Mit großer Freude nahm er uns auf. Bekochte und bewirtete uns mit unglaublicher Gastfreundschaft. Ein Ereignis mussten wir unbedingt miterleben: das erste öffentliche Konzert von Theodorakis und seinen Musikerinnen und Musikern im Karaiskakis Stadion Athen.
Wir kamen etwas spät an; ohne Eintrittskarten. Wie auch immer gelang es Georgs Onkel, dass wir ins Stadium kamen. Ein Platz in den oberen Rängen wo es noch „viel Luft“ gab. Unten auf der Rasenfläche stimmten sich zwei Orchester ein. Auch Maria Farantouri, wie wir später hörten, war dabei. Plötzlich, schlagartig Ruhe. Theodorakis Stimme über die Lautsprecher: Er würde nicht spielen, wenn man die Leute, die draußen noch warteten, nicht hereinließe. So geschah es.
Erlebt habe ich dann das großartigste, berauschendste Konzert meines Lebens. Eine unglaubliche Stimmung, Begeisterung und Freude. Die Leute sangen mit, standen auf, waren zu Tränen gerührt. Ein emotionales Erlebnis ohnegleichen. Freiheit, Glück und Freude auf die Zukunft. Endlich war alles möglich. Die ganze Dimension des Ereignisses – abgesehen von dem musikalischen Erlebnis – habe ich erst später begriffen. Der dritte Band von Erasmus Schöfers Tetralogie »Die Kinder des Sisyfos« (damals unter dem Titel »Tod in Athen« erschienen) zeigt die damaligen Ereignisse und Entwicklungen.
Seine Hinwendung zu den „Bürgerlichen“ haben viele Freunde, Unterstützer und Bewunderer Theodorakis übelgenommen. Er hat seine Vergangenheit und vor allem seine revolutionäre Musik aber nie verleugnet. Seine Freundschaft mit Pablo Neruda und die grandiose Vertonung des »Canto General« sind nur ein Beispiel. Wir trauern um Theodorakis, aber seine Musik lebt.
Heinrich Bleicher