Hans Mayer. Ein Nachlass auf Widerruf
Im Verlag machiavelli edition in Köln ist eine Untersuchung von Anne Bendel erschienen, die die Funktion und Bedeutung von Literatur-Archiven in den Blick nimmt: „Diese Studie schlägt vor, die Literatur als mögliche Gegen-Erfahrung zum Archiv zu begreifen,“ steht auf der Umschlagseite des Buches, in dem sie sich im zweiten Teil ausführlich mit dem Nachlass des Literaturwissenschaftlers und Schriftstellers Hans Mayer (1907-2001) beschäftigt. Es ist ein Glücksfall für unsere HMG, dass nun eine so detaillierte Untersuchung zum Nachlass von Hans Mayer und dessen Nutzbarkeit vorliegt. Und Anne Bendel stellt die richtigen Fragen, um der Bedeutung seines Nachlasses auf den Grund zu gehen. Ist das Archiv der geeignetste Ort, um Erinnerung am Leben zu erhalten? Oder ist die Literatur der Ort, der die Lücken des Archivs zu schließen vermag? Mit Bezug auf Hans Mayer ist eine Fragestellung zentral: Ist Hans Mayers Nachlass, dessen Leben seit der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft im Jahr 1938 durch die Nazis im Zeichen des Widerrufs stand und dessen Nachlass vom Einsturz des historischen Archiv Köln im Frühjahr 2009 betroffen war, ein Nachlass auf Widerruf? (Bendel, S. 18)
Geschickt verknüpft Anne Bendel ihr Wissen zum Nachlass von Hans Mayer mit biographischen Angaben aus seinem Leben und mit Interpretationen seiner Werke. Ihre vorzüglichen Kenntnisse der Werke Mayers machte diese Untersuchung zu einem großen Gewinn für die Arbeit unserer Hans-Mayer-Gesellschaft: „Den Fall Hans Mayer habe ich aus dem Grunde gewählt, weil dieser nicht nur politisch, sondern auch archivologisch interessant ist. Hans Mayer hat – und dies ließe sich durchaus konstatieren – als einer der letzten Universalgelehrten des 20. Jahrhunderts all das miterlebt und durchlitten, was eben dieses konfliktreiche Jahrhundert ausmacht.“ (Bendel, S. 397)
Heiner Wittmann hat mit Anne Bendel über ihr kürzlich in der machiavelli edition in Köln erschienenes Buch, über die Archivarbeit und Hans Mayer gesprochen:
„Frau Bendel, Sie arbeiten als freischaffende Archivarin. Sie haben gerade im Verlag machiavelli edition in Köln ein Buch über Hans Mayer veröffentlicht: „Im Erfahrungsraum des Archivs. Hans Mayer: Ein Nachlass auf Widerruf“. Was ist das Besondere an einem Archiv und wieso verknüpfen Sie das Archiv so eng mit dem Werk von Hans Mayer?
Zunächst halte ich das Archiv für etwas sehr Dynamisches. Es ist nicht der Ort, der die Vergangenheit entschlüsselt oder an dem wir Antworten finden, sondern ein Ort von vielen. Zudem ist das Archiv stets in Veränderung, auch wenn wir manchmal glauben, dass es etwas Abgeschlossenes wäre. Das Archiv hat für mich etwas sehr Zukünftiges, weil wir durch die Öffnung oder Schließung von Archiven (z.B. durch Sperrfristen) Wege in die Zukunft möglich oder unmöglich machen – zumindest für eine bestimmte Zeit. Das Archiv erlaubt einen doch sehr spezifischen, etwas überspitzt gesagt, vielleicht sogar beengten Blick auf Vergangenes. Das hat auch rechtliche Gründe, auf die ich hier im Detail aber nicht eingehen will. Lassen Sie mich dies kurz am Beispiel Hans Mayer ausführen. Im Fall Hans Mayer haben wir Dokumente, die es eigentlich nie hätte geben dürfen – aus der Zeit der Observation durch die Staatssicherheit der ehemaligen DDR… . Bitte lesen Sie weiter.
Anne Bendel
Im Erfahrungsraum des Archivs.
Hans Mayer. Ein Nachlass auf Widerruf
343 Seiten
ISBN 9-783949-89805-1 € 29.00 [D]
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